Vor 20.000 Jahren v. Chr. Mammutzahn in Neuhausener Lehmgrube

Mammutzahn in Neuhausener Lehmgrube
Esslinger Zeitung vom 7.8.1966

 

Dem Neuhausener Amateur-Archäologen Nobert Goldner kribbelte es am letzten Sonntag mal wieder in den Fingern. Mit einem Spaten bewaffnet zog er hinaus in die Lehmgrube, auf der linken Seite der Straße nach Wolfschlugen, um der Mutter Erde Schätze zu entlocken, die sie in ihrem Schoß konserviert. Gemeinsam mit seinem Bruder Bruno begann er auf der Südseite der Lehmgrobe zu buddeln. Bestimmtes hatte er nicht im Sinn. Doch die Mühe des stundenlagen Grabens in der jungsteinzeit-lichen Abfallgrube lohnte sich: Eine Pfeilspitze und ein Schaber kamen zutage. Damit wollte Norbert Goldner, der dem Zivilschutz als Lehrer dient, es eigentlich genug sein lassen. Schon auf dem Heimweg meinte er plötzlich zu seinem Bruder, dass sie eigentlich auch noch die Nordseite der Lehmgrube in Augenschein nehmen könnten. Der Bagger der Ziegelei hatte hier in der Woche zuvor gerade neue Schichten freigelegt. Gesagt, getan, die Nordseite wurde inspiziert. Auffallend war für Norbert Goldner ein über hundert Meter langes schwarzes Band im Erdboden. Seine Augen suchten ganz oberflächlich dieses schwarze Band ab. Dabei bemerkte er plötzlich unterhalb der schwarzen Tönung in etwa 3 Meter Tiefe einen ovalen weißen Fleck von zirka zehn Zentimeter Durchmesser. Die Neugier war geweckt. Spaten und Spachtel mussten in Aktion treten.

 

Ihren Augen nicht getraut.
Die Gebrüder Goldner legten ein kleines Stückchen frei und glaubten ihren Augen nicht zu trauen: Sie waren auf einen leibhaftigen Mammut-Stoßzahn gestoßen. Groß war die Entdeckerfreude, aber es wurde kein Sterbenswörtchen von dem Fund verraten. Da die Zeit schon fortgeschritten war, konnte die Freilegung am Sonntag nicht mehr fortgesetzt werden.

 

Nachtwache gehalten.
Beim ersten Hahnenschrei am Montag gab es für die Gebrüder Goldner wieder nur eine Ziel: Die Lehmgrube. Sie zogen Ihren Onkel, den früheren Landtagsabgeordnete Josef Eisele, und dessen Sohn Andreas ins Vertrauen. Mit verstärkten Kräften ging es an die komplizierte Buddelarbeit. Der Stoßzahn musste wie ein rohes Ei behandelt werden, damit er nicht  in tausend kleine Stücke zerfiel. Der Bagger hatte bereits die Spitze des Stoßzahns abgerissen. Norbert Goldner setzte alles daran, ihn ganz zu bergen. Bis in die Nacht wurde gearbeitet. Der Ehrgeiz ging sogar soweit, die Nacht hindurch bei Scheinwerferlicht zu arbeiten. Daraus wurde jedoch nichts. Um aber nicht unbefugte Hände an den halb freigelegten Schatz geraten zu lassen, hielt Norbert Goldner Nachtwache in der Lehmgrube. Nur wenige Stunden legte er sich in Morpheus Arme, denn die Aufregung war zu groß.

 

Samt Lehm geborgen.
Gestern Morgen ging es bereits um 5 Uhr wieder an die Arbeit. Der Stoßzahn wurde bis zum Mittag in seiner ganzen Pracht freigelegt. Die Hauptschwierigkeit bestand jetzt in seiner Bergung, die nur ganz behutsam und mit Überlegung vorgenommen werden konnte. Um 15.15 Uhr war es gestern so weit, dass man den Stoßzahn samt Lehmumrandung auf ein großes Brett expedier. Die letzte Etappe war der Transport aus der Lehmgrube ins Auto. Die Amateur-Archäologen zitterten ständig, dass sie den gehobenen Schatz auch ja heil nach Hause bekamen. Der Stoßzahn misst immerhin 1,10 Meter. In seiner Werkstatt will Norbert Goldner den unter viel Schweiß geborgenen Schatz, der nach seiner Schätzung mindestens 20.000 Jahre alt ist, aufpolieren und die Risse kitten. Die genaue Altersschätzung wird noch von paläontologischen Experten vorgenommen. Später soll der Mammutzahn der Neuhausener Heimatsammlung, deren Gründung im Gespräch ist, einverleibt werden. Norbert Goldner hat sich in seiner Freizeit mit Leib und Seele der Archäologie verschrieben. Er gräbt, sucht und forscht seit Jahren. Auch jetzt nutzt er wieder einen Urlaub, um dem Erdboden Geheimnisse zu entreißen. Seine Leidenschaft hat auch schon auf seinen Bruder und Vetter, die beide Psychologie studieren und gegenwärtig ihre Semesterferien in Neuhausen verleben, übergegriffen.

 

BM Fricke am Fundort.
In der Lehmgrube bewegt sich Norbert Goldner auf geschichtsträchtigem Boden. Es ist seit langem bekannt, dass hier einmal eine jungsteinzeitliche Siedlung existiert hat. Die Entdeckung Norbert Goldners hat sich in Neuhausen natürlich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Bürgermeister Frick hat sich gestern an Ort und Stelle von dem Fund überzeugt. Er steht der Einrichtung eines Neuhausener Heimatmuseums nicht abgeneigt gegenüber und ist über die Entdeckung stolz. Auch die Besitzer der Lehmgrube, das Ehepaar Arnold, unterstützen den Freizeit-Archäologen wohlwollend. Vor einigen Wochen hat Norbert Goldner seine in vielen Jahren und mit großem Verstand zusammen getragene Sammlung den Neuhäusern vorgestellt. Sie soll einmal den Grundstock für das Heimatmuseum abgeben.

 

Bald neuer Fund?
Der „EZ“ gegenüber zeigte sich Norbert Goldner gestern optimistisch, dass er in ansehbarer Zeit mit einer neuen Entdeckung aufwarten kann. Er ist auf der Pirsch nach der römischen Sigillata-Töpferei, die von Fachleuten auf Neuhauser Boden vermutet wird. Er glaubt schon sichere Anhaltpunkte zu haben. Wir wünschen dem Amateur-Archäologen eine erfolgreiche Spürnase.

 

Bilder: Bruno Goldner

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