Im Lärm und Takt der Maschinen zu arbeiten, dazu konnte sich der Neuhäuser ein Jahrhundert lang nicht entschließen, er wollte sich der Lohnindustrie unter keinen Umständen verschreiben.
Der Neuhäuser ist immer eigener Art gewesen und hat an der Überlieferung festgehalten, manchmal nur allzu starr. Nur so ist es zu verstehen, dass seit 1700 das Maurerhandwerk fast zweihundert Jahre lang starken Zulauf erhielt, obwohl die Maurer besitzarm waren und sich in der Regel mit kleinen Grundstücken begnügen mussten. Ihr Leben war hart und entbehrungsreich. Wochenlang weilten sie in der Fremde. Dabei lebten sie sehr einfach, aßen die ganze Woche nichts Warmes und begnügten sich mit Brot und höchstens einem Schoppen Most am Tag. Von Allerheiligen bis Ostern waren die Maurer arbeitslos zu Hause und mussten sich nach einer anderen Beschäftigung umsehen. Das waren herbe Monate, besonders für die Jungmaurer, die ihren Sommerlohn den Eltern übergeben mussten.
Um 1750 gab es in Neuhausen bei 1420 Einwohnern 52 Maurer. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts bei eirıer Einwolmerzahl von 1850 zählte man 60 Maurer. Sie arbeiteten größtenteils auswärts und kamen erst am Sonntag heim. 1860 stieg die Zahl auf über 80, während der ganze Bezirk Esslingen 245 zählte. Seit 1870 hatten die hiesigen Maurer lohnende Aufträge beim Städtebau in Stuttgart und im Neckartal ebenso beim Bau der Württembergischen Eisenbahn. Trotzdem ging die Zahl 1877 auf 25 zurück.
Ein Teil arbeitete in den nächsten Jahrzehnten vielfach im Ausland und kehrte erst nach vielen Jahren in die Heimat zurück. Die Zahl der Gipser stieg um die Jahrhundertmitte derart, dass sie den Maurern den Rang abliefen. Man muss bedenken, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Arbeit der Gipser die Maurer ausführten. Ungewöhnlich stark war der Andrang zum Gipserberuf seit 1870.
Es war damals so, dass meist über die Hälfte der schulentlassenen Knaben dieses Handwerk erlernte und nur wenige zu einem Maurermeister in die Lehre gingen. Um 1900 zählte man in Neuhausen 310 Gipser und nur noch 47 Maurer. Nach dem ersten Weltkrieg waren es noch 250 Gipser und 35 Maurer, nach dem zweiten Weltkrieg 115 bzw. I8. Wenn noch vor wenigen Jahrzehnten von Katholisch-Neuhausen die Rede war, erwähnte man ohne weiteres die Gipser.
Nicht ohne Grund, denn sie waren im ganzen Land bekannt und geschätzt. Viele arbeiteten in den vergangenen Jahrzehnten auch im Ausland, in der Schweiz, in Holland und in den Vereinigten Staaten. In den 10 Jahren nach dem ersten Weltkrieg wanderten Neuhausens Gipser zu Dutzenden nach Amerika aus und mancher ist nicht mehr heimgekehrt und hat dort lohnende Arbeit und sichere Stellung gefunden.
Ottmar Kärcher Esslinger Zeitung