Länger als ein Vierteljahrtausend hat die alte Leutekirche überdauert. Als sie für die wachsende Gemeinde nicht mehr ausreichte, musste sich die
Heiligenpflege entschließen, ein neues Gotteshaus zu bauen. Dies geschah um 1500.
Dringlich war zunächst, dass man das Langschiff der alten Leutekirche durch einen Neubau ersetzte und dadurch Platz für die wachsende Seelenzahl schuf. Dies geschah im Jahre 1479.
Auf einem Stein, den man im Jahre 1850 beim Abbruch der Kirche entdeckte, war das Baujahr eingetragen. Im Jahre 1509 riss man auch den Chor der Leutekirche nieder. Dies erfahren wir von einem zweiten
Stein, auf dem die Inschrift zu lesen war: „Hier unten liegt der, erste Stein des Chores 1509.In den Chorstein war außerdem ein merkwürdiges Zeichen, ein Meisterzeichen eingemeißelt, worunter die
Buchstaben.“LK“ standen. Im vorliegenden Falle handelt es sich um das Meisterzeichen der Künstlerfamilie Böblinger, die im 15. und 16. Jahrhundert unsterbliche Werke der Baukunst geschaffen
hat. Einer der Familie, Matthäus Böblinger, schuf den Ulmer Münsterturm und war Oberleiter beim Bau der Liebfrauenkirche in Esslingen. Sein Bruder Lukas oder Laux führte das in der Abbildung
wiedergegebene Meisterzeichen. Es stimmt mit der Urhebermarke unseres Chorsteins überein, nur gibt der Buchstabe K ein Rätsel auf. Es löst sich indessen, wenn wir LB statt LK lesen, Worauf der
Kunsthistoriker Klemm schon vor 70 Jahren hingewiesen hat. Wahrscheinlich hat der beauftragte Steinmetz den Buchstaben K statt B (Böblinger) eingemeißelt. Wenn unsere Vermutung begründet ist, hätte
also Laux Böblinger 1509 den Chor der alten Kirche erbaut.
Die Kirche war 124 Fuß oder 37,5 Meter lang und 45 Fuß oder 12,8 Meter breit. An ihrer Ostseite lag das um 1475 erbaute Frauenkloster, im Schatten der Nordseite .erhob sich seit 1610 die
Rotenhansche Kapelle. Rings um das Gotteshaus dehnte sich wie bisher der Begräbnisplatz.
Ein Blick auf die Abbildung vom Jahre. 1750 überzeugt uns, dass die Kirche im spätgotischen Stil erbaut war. Sie hatte nur wenige und kleine Fenster, weshalb die Oberamtsbeschreibung von 1845 meinte,
dass sie „im Innern ziemlich unfreundlich und düster sei.“ Der durch starke Pfeiler gestützte Chor war 7 Meter breit und hatte schöne farbige Glasfenster. Auf seiner linken Seite war ein Oratorium
oder Betraum für die Klosterfrauen eingebaut. Der Hochaltar wechselte seinen Platz öfters. Auf der linken Stirnseite des Langschiffes befanden sich zwei. Nebenaltäre, ein dritter stand auf der
rechten Seite, neben ihm das Taufbecken. Das Schiff bot Platz für 336 Personen, im Jahre 1805 baute man eine Emporkirche mit weiteren 78 Plätzen ein. Über die Ausstattung der Kirche ist-nur wenig
bekannt. Nach der Pfründbeschreibung von 1837 soll das „älteste Denkmal“ auf das Jahr 1383 zurückgegangen sein. Erhalten ist ein schöner Wandtabernakel von 1466 und ein gotisches
Madonnenbild aus Stein. Es ist angeblich ein Werk des Ulmer Künstlers Daniel Mauch und würde dann aus der Zeit um 1500 stammen. Der reichgegliederte Tragstein ist eine spätere Zutat, die Überdachung
geht in die 1890er Jahre zurück. Die Kirche soll weitere wertvolle Bildnisse besessen haben.
Textauszüge: Eugen Efinger „Heimatbuch vonNeuhausen auf den Fildern“